Seit der Covid-Pandemie hat sich der deutsche Arbeitsmarkt tiefgreifend verändert. Besonders im Bereich der sogenannten systemrelevanten Berufe zeigt sich ein anhaltender Engpass, der sich inzwischen zu einer strukturellen Herausforderung entwickelt hat. Die verfügbaren Daten belegen eindeutig: Die Zahl der offenen Stellen übersteigt seit Jahren kontinuierlich die Zahl der verfügbaren Arbeitssuchenden. Das betrifft vor allem die klassischen Arbeitsbereiche, die das tägliche Leben aufrechterhalten – Pflege, Handwerk, Bau, Einzelhandel und Logistik. Der Begriff „Arbeitskräftemangel“ greift dabei fast zu kurz, denn es fehlen nicht nur qualifizierte Fachkräfte, sondern häufig überhaupt Menschen, die bereit oder in der Lage sind, die ausgeschriebenen Aufgaben zu übernehmen. Dabei geht es nicht um hoch spezialisierte Positionen, sondern um Tätigkeiten, die für das Funktionieren der Gesellschaft unverzichtbar sind – und trotzdem oft ohne Besetzung bleiben.
Der Markt sucht – und wird nicht fündig
Besonders in städtischen Ballungsräumen wird der Mangel an Arbeitskräften sichtbar. Es gibt kaum einen Bereich, in dem nicht nach Unterstützung gesucht wird. Die Zahl der ausgeschriebenen Stellen übertrifft seit Monaten jene der offiziell arbeitssuchend Gemeldeten. In vielen Regionen ist die Lage so angespannt, dass selbst kurzfristige Ausfälle nicht mehr aufgefangen werden können. Wer etwa Jobs in Stuttgart sucht, stößt auf eine Vielzahl offener Positionen, die bereits seit Wochen oder gar Monaten vakant sind. Die Gründe dafür sind vielschichtig – eine Mischung aus demografischem Wandel, fehlender Zuwanderung, mangelnder Attraktivität der Arbeitsbedingungen und zunehmender Konkurrenz um Arbeitskräfte. Während Unternehmen versuchen, durch höhere Löhne oder flexible Arbeitszeitmodelle gegenzusteuern, bleibt vielerorts eine grundlegende Frage offen: Wer soll die Arbeit machen, wenn niemand mehr kommt?
Der Abstand zwischen Bedarf und Besetzung vergrößert sich stetig
Trotz politischer Maßnahmen, gezielter Förderprogramme und Versuchen, ausländische Fachkräfte zu gewinnen, schließt sich die Lücke kaum. Das liegt nicht nur an der reinen Zahl, sondern auch an der Passung zwischen Bewerber und Anforderungen. In vielen Betrieben fehlen Menschen, die nicht nur auf dem Papier geeignet sind, sondern auch tatsächlich bereit sind, die täglichen Aufgaben anzupacken. Besonders schwierig zeigt sich das im Baugewerbe und in der Pflege – dort, wo körperliche Belastung, Schichtarbeit oder schwierige Rahmenbedingungen eine Rolle spielen. Viele Unternehmen berichten davon, dass selbst nach Wochen der Suche kaum Rückmeldungen auf Stellenanzeigen eingehen. Immer häufiger bleiben Ausbildungsstellen verwaist. Der Wunsch nach einem sinnvollen Beruf ist da – doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine wachsende Lücke. Die Realität ist: Es sind genügend Stellen da, aber zu wenige, die sie ausfüllen wollen oder können.
Wenn das Gefüge ins Wanken gerät
Die Folgen des Arbeitskräftemangels zeigen sich im Alltag – nicht in großen Schlagzeilen, sondern im Kleinen. Wenn Lieferungen ausfallen, Baustellen stillstehen oder Pflegekräfte aus Überlastung kündigen, entsteht Druck, der sich langsam durch die gesamte Gesellschaft zieht. Dabei ist nicht nur die Wirtschaft betroffen, sondern auch das soziale Gefüge. Die offene Frage, wie ein leistungsfähiger Arbeitsmarkt in Zukunft aussehen kann, lässt sich nicht allein mit neuen Gesetzen oder Prämien beantworten. Vielmehr zeigt sich, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die Wertschätzung für sogenannte einfache Berufe zu erhöhen. Denn ohne Menschen, die bereit sind, anzupacken, steht der Betrieb still – ganz gleich, wie viele Stellen noch ausgeschrieben werden. Die Herausforderung liegt nicht in der Quantität der offenen Positionen, sondern im fehlenden Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf einem sich rasch verändernden Markt.
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